Infoabend zur Gemeinschaftsunterkunft in Gohlis – ein Protokoll

Am 30. August fand der erste Informationsabend zur Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in der Lindenthaler Straße 63/65 statt. Geladen hatte die Stadtverwaltung Leipzig in die Friedenskirche in Gohlis. KIEZflüsterin Maria war mit dabei und stellt hier ein Protokoll zur Verfügung. Die Zitate sind mitgeschrieben, die Zusammenhänge nach gutem Wissen und Gewissen erfasst, es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Ein Protokoll zum Infoabend zur Gemeinschaftsunterkunft Lindenthaler Straße


Hintergrundinformationen zum Status Quo in Leipzig

18:42 Uhr:
Ich erreiche die Friedenskirche. Mich erwarten drei Security-Männer am Eingang, die entspannt und freundlich meine Tasche nach Messer, Pfefferspray oder Glasbehältern untersuchen. Ich habe nichts davon dabei und man wünscht mir „Viel Spaß“.

18:45 Uhr:
Ich betrete eine bereits gut gefüllte Kirche, finde einen angenehmen Platz und gehe noch einmal raus Luftschnappen. Zwei Polizisten kommen mir entgegen, zwei weitere habe ich bereits in der Kirchenbank sitzen sehen. Ich bin gespannt, es wird wohl Tumult erwartet. Die Menschen die angeradelt oder gelaufen kommen, sehen jedoch sehr entspannt aus. Das Alter ist bunt gemischt, es gibt keine Gruppierungen irgendeines extremen Gedankengutes, die Security ist und bleibt äußerst höflich.

18:55 Uhr:
Ich nehme wieder Platz, im vorderen Bereich wurden zwei Tische für die Redner platziert. Sie bleiben den ganzen Abend frei.

19:00 Uhr:
Der Infoabend wird durch Tilo Wille, Vorsitzender des Kirchenvorstandes der gastgebenden  Ev.-Luth. Michaelis-Friedens-Kirchgemeinde Leipzig eröffnet und dieser gibt u.a. den Anwesenden ein Bibelzitat (Matthäus 25, 35) auf den Weg:

Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.

19:05 Uhr:

Prof. Dr. Fabian, Leipziger Bürgermeister für Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule ergreift das Wort und begrüßt die ca. 150 Gäste des Abends. Zu Beginn entschuldigende Worte:

Wir können nicht jede Frage beantworten, da wir noch nicht alles wissen.

Er informiert im Folgenden über das Verteilerverfahren von Menschen, die in unserem Land Zuflucht suchen und verweist auf den Königsteiner Schlüssel bei der Verteilung von Asylsuchenden auf die Bundesländer.

Nach dem Königsteiner Schlüssel hat das Bundesland Sachsen 5,1 Prozent aller in Deutschland neu Asyl beantragenden Flüchtlinge aufzunehmen. Auf die Stadt Leipzig entfallen davon knapp 13 Prozent.

Die Steuerung der „Zuteilung“ erfolgt durch die Landesdirektion Sachsen, welche auch zuständig für die Erstaufnahmeinrichtungen (EA) sind. In Leipzig selbst ist das Sozialamt die „Unterbringungsbehörde“,  Amtleiterin Martina Kador-Probst steht neben Dr. Fabian für den heutigen Abend für Auskünfte zur Verfügung.  Es gibt noch ein paar Ausführungen zu dem Konzept der dezentralen Unterbringung von 2012, welches von den eigentlichen Zahlen der zugewiesenen Flüchtlinge überholt wurde und zu den Notunterkünften (wie in der Messehalle 17) führten. Ich habe den Faden etwas verloren, denn ich kenne weder das „Konzept“, noch habe ich die Leipzig-Gesamtsituation im Blick. Einen nachträglich zu erfassenden Überblick gibt es aber auf der Seite der Stadt Leipzig (abgerufen am 31.8.2016).

„Ende Mai  2016 lebten 4.911 Personen in Leipzig, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhielten. Im Juni wurden bis zum 17.06.2016 weitere 106 Personen in Gemeinschaftsunterkünften der Stadt Leipzig aufgenommen. Darüber hinaus gab es im Mai 4.293 Personen, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II erhalten. Im Jahr 2016 wurden der Stadt Leipzig bis Ende der 25. Kalenderwoche 1.259 Asylsuchende neu zugewiesen. Zum 31. Mai 2016 wurden 371 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Leipzig betreut.
Hinzu kommen derzeit (Stand: 21.06.2016) 1.195 Personen in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Freistaates Sachsen in Leipzig.“

Es geht nach dieser Einleitung von Dr. Fabian nun um die Gemeinschaftsunterkünfte in Leipzig, die von der Stadt Leipzig betrieben werden. Aktuell sind dies 15 Unterkünfte für bis zu 60 Personen und 16 Unterkünfte mit mehr als 60 Plätze, die in ganz Leipzig verteilt sind. 11 weitere sind für 2016 in Planung und für 2017 weitere 13 (davon eine Unterkunft im Waldstraßenviertel) – vgl. Auflistung Stadt Leipzig. Der jeweilige Träger und die SozialarbeiterInnen des Trägers haben dabei eine zentrale Aufgabe, nämlich die soziale Betreuung der Geflüchteten. Ihr Aufgabenbereich umfasst u.a.

  • Beratung & Begleitung
  • Unmittelbarer Ansprechpartner für die unmittelbare Nachbarschaft
  • Verantwortlichkeit für die Netzwerkarbeit im Stadtgebiet

Dr. Fabian erläutert, dass es in jedem Stadtteil nun aktuell bzw. zukünftig wohl mindestens eine Gemeinschaftsunterkunft geben wird. Entgegen den Vermutungen, diese würde nur in Stadtteilen eröffnet die zu den sozialschwächsten von Leipzig gehören, ist es Zielsetzung, dass auch die sozialstärksten Stadtteile in die gemeinsame Aufgabe einbezogen werden. Das übergeordnete Ziel, egal in welchem Stadtviertel, ist eine möglichst schnelle Integration der Asylsuchenden.

Gemeinschaftsunterkunft in Gohlis – Fakten auf den Tisch

19:15 Uhr
Amtsleiterin des Sozialamtes, Martina Kador-Probst, hat nun das Wort um über die Gemeinschaftsunterkunft in der Lindenthaler Straße in Gohlis zu sprechen.

Die Fakten zu der sich derzeit in entsprechendem Umbau befindlichen Unterkunft für Geflüchtete:

  • Eröffnung voraussichtlich Ende Oktober 2016
  • erwartet werden voraussichtlich vorrangig Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan
  • Kapazität: 220 Plätze
  • Unterbringung:
    2-5 Bettzimmer
    Gemeinschaftsküchen
    Geschlechter getrennte Gemeinschaftssanitäranlagen
    Räume für Sozialarbeiter (Schlüssel der Betreuung 1:50)
    Raum für gemeinsame Aktivitäten = Aufenthaltsraum
  • Mietvertrag: Dauer 12 Jahre, optional auf Verlängerung
  • Träger: voraussichtlich die Johanniter (noch in Verhandlungen)
  • Sicherheit: regelm. Sicherheitsüberwachung via Sicherheitsdienst

Die Fragen & Antwortrunde für die anwesenden Bürgerinnen und Bürger beginnt

19:27 Uhr:
Der Vortragsteil beendet. Die Frage & Antwortrunde wird eröffnet. Eine charmante Moderatorin, die das Mikrofon nicht aus der Hand gibt und die Fragenden um Namensnennung bittet, führt soverän durch die folgende Stunde.

Zu Beginn stellen sich Akteure aus dem Stadtviertel vor (z.B. der Bürgerverein Gohlis, die Intiative Weltoffenes Gohlis) und verweisen auf die Bereitschaft zu unterstützen wo und wann immer es geht. Sie geben Hinweis auf ausliegende Listen für alle Interessierten, die Unterstützung anbieten möchten.

Es gibt eine BürgerFrage zu den Sozialarbeitern. Wie werden sie ausgesucht, welche Qualifikationen werden benötigt. Frau Kador-Probst verweist auf vorgegebene Kriterien und die Verantwortung der Trägerorganisation sowie deren Zuverlässigkeit und Erfahrung im Umgang mit entsprechender Personalbesetzung.

Eine Wortmeldung betrifft die Frage nach dem Tagesablauf in einer Gemeinschaftsunterkunft. 

Ich meine, was machen die den ganzen Tag? Streunen rum, langweilen sich und gammeln rum. Ich finde es bedrohlich…

Gemurmel, entsetztes und ungläubiges Auflachen, erste Zwischenrufe. Die Moderatorin bittet um Ruhe und Respekt dafür, dass jeder seine Fragen stellen darf. Sie hat Recht. Aber die pauschalen Unterstellungen des Bürgers entsprechen keiner reflektierten Denkweise und sind zum Fremdschämen.

Sozialamtsleiterin Kador-Probst antwortet und zeigt dabei die vielfältigen Aufgaben & Herausforderungen der Ankommenden auf.

  • Ankommen & im Stadtviertel orientieren
  • zahlreiche Verwaltungswege absolvieren
  • Deutsch lernen
  • Beratungsgespräche mit der Bildungsagentur um Kinder so schnell wie möglich in Kitas und Schulen zu integrieren
  • Arbeitsagentur erfasst Bildungsstand & Qualifikation der Erwachsenen
  • Arztbesuche
  • Suche nach Wohnraum

Ergänzend wird eine Sprecherin des Flüchtlingsrat Leipzig e.V., Frau Sonja Brogiato,  zu Wort gebeten.

Sie berichtet von der Notwendigkeit, jeden Einzelnen dort abzuholen wo er in Hinblick auf seine Erlebnisse steht und führt bisher zahlreiche erfolgreiche Patenschaften an, sowie regelmäßige Anfragen zu Patenschaftsübernahmen von Schülern, die Unterstützung benötigen. Frau Brogiato fragt zudem:

Wenn wir die Einzelnen nicht abholen, wer dann?

Sie geht auch auf die Sicherheitsüberwachung der GU ein und erläutert, dass diese maßgeblich den Geflüchteten zum subjektiven Schutz dient. Die Sicherheitsleute seien Tag und Nacht vor Ort erster Ansprechpartner für Notfälle (vor allen Nachts) und geben den aus Kriegs- und Krisengebieten geflohenen Menschen einen Schutzraum. Für die Asylsuchenden eine große Stütze, so Brogiato, sie fühlen sich erstmals nach einer langen Zeit wieder sicher:

Hier kann mir nichts geschehen, hier bin ich sicher.

Es melden sich zwei weitere Bürger zu Wort, die beide in unmittelbarer Nähe zur Gemeinschaftsunterkunft wohnen. Beide sind positiv gestimmt und freuen sich auf die neuen Nachbarn. Einer der Anwohner unterstützt bereits in der Erstaufnahmeeinrichtung (EA) in der Olbricht-Kaserne mit Deutschunterricht und erfragt, ob die Menschen aus der EA direkt in die Gemeinschaftsunterkunft umsiedeln können.

Frau Kador-Probst erläutert darauf hin, dass diese Entscheidung nicht der Stadt Leipzig obliegt, sondern auf Landesebene unter Einhaltung von allgemeinen und spezifisichen Kriterien gefällt wird.

Die zweite Anwohnerin erfragt die Nutzung des Außengeländes des ehemaligen Autohauses für die zuküftigen Nachbarn. 
Die Vorbereitungen laufen bereits, die konrekte Ausgestaltung findet dann statt, wenn die Verwaltung erfährt, wer tatsächlich in die Unterkunft einziehen wird, bzw. wird dies dann gemeinsam erarbeitet, so Kador-Probst.

Ein weiterer Bürger fragt:

Warum erfahren wir erst jetzt davon, jetzt wo bereits alles in Sack und Tüten ist?

Prof. Dr. Fabian übernimmt die Antwort,  bittet um Verständnis und verweist auf den Spagat in der Informationsvermittlung:

Es ist eine Herausforderung. Informiert man zu früh, dann weiß man zu wenig um Informationen zu vermitteln. Weiß man alles, ist es zu spät zum informieren.

Ein weiterer Bürger fragt nach dem seitens der Stadtverwaltung geäußerten Wunsch bzgl. des zeitnahen dezentralen Wohnen der Geflüchteten im Zusammenhang mit einer 12jährigen Mietlaufzeit des Objektes.

Amtsleiterin Martina Kador-Probst antwortet:

Die Menschen sollen so lange wie nötig dort wohnen, aber natürlich so schnell wie möglich ausziehen können.

Da die Prognosen der noch zu erwartenden Flüchtlinge sich nicht konkret voraussagen lässt, bleibt die zukünftige Unterbringung eine Herausforderung. Ziel ist es, keine kritikwürdigen Notunterkünfte mehr stellen zu müssen, sondern auch auf mittlere Sicht zukünftig Platz in bereits bestehenden Gemeinschaftsunterkünften anbieten zu können, so die Amtsleiterin.

20:25 Uhr
Die letzte Frage wird von einem Bürger gestellt, der sich bereits über den Tagesablauf der Geflüchteten sorgte:

Wie kann man uns Sicherheit geben, dass die Leute hier keine Bomben bauen?

Die Fragen & Antwort-Runde beginnt das erste und einzige Mal aus dem Ruder zu laufen. Empörte Zwischenrufe, laut geäußerte Entrüstung und dazwischen ein junger Mann, der seine Wut über solch eine sinnfreie und gleichermaßen beleidigende und fremdenfeindlice Äußerung nicht optimal im Zaum halten kann. Er wird schließlich, da er sich nicht beruhigen kann, von 4 Security-Leuten nach draußen geleitet.

Prof. Dr. Fabian greift schließlich den (schwer) zu abstrahierenden Hintergund der Frage auf und stellt klar:

Wer in Deutschland lebt, unterwirft sich deutschen Gesetzen – geschriebenen und ungeschriebenen.

Er verweist aber zudem auf die Verantwortung des Einzelnen und die Notwendigkeit von Beratung und Begleitung sowie eines Hilfsangebotes für die Asylsuchenden:

Wie stark sich Menschen hier integrieren, hängt auch von uns ab.

20:29 Uhr:
Der Infoabend ist beendet. Zahlreiche Besucher tragen sich in die ausliegenden Listen ein und signalisieren somit ihre Bereitschaft zukünftig zu unterstützen. Die Leute gehen heimwärts, vereinzelt werden in Gruppen noch Gespräche vor der Friedenskirche geführt. Alles ist friedlich. Die Polizisten rauchen im Kreis ihre Feierabend- bzw. Pausenzigarette. Ich radle heim.

Fazit zum Infoabend:

Ein Anfang ist gemacht, ein weiter Weg liegt vor uns: Für die zahlreichen beteiligten Akteure, für die BürgerInnen in Gohlis und erst Recht für die ankommenden Geflüchteten.
Ein nächster Schritt zur Transparenz seitens der Stadtverwaltung Leipzig wird der „Tag der offenen Tür“ in der Gemeinschaftsunterkunft sein, geplant ist dafür ein Wochenendtermin Anfang November. Wir bleiben dran.

Eine kleine Linksammlung

Für alle die sich über Flüchtlinge in Leipzig informieren wollen:
Allgemeine Informationen der Stadt Leipzig zu Flüchtlingen
Konzept der Integration von Migranten in Leipzig

Für alle die in Gohlis Fragen stellen wollen:
Sprechstunde beim Bürgerverein Gohlis

Für alle die mit anpacken möchten:
Flüchtlingsrat Leipzig e.V. / Patenprogramm
Sachspendenzentrale Leipzig /Spenden
Inititative Willkommen in Leipzig des soziokulturellen Zentrums Die VILLA

14 Kommentare

  1. Ich finde die Berichterstattung sehr umfänglich und zutreffend. Vielen Dank!
    (Dass die beiden letzten Zeitangaben sich um eine Stunde irren, habt Ihr sicher längst bemerkt!)

    1. Hallo Augenzeuge, vielen Dank für Ihr Kommentar. In diesem Artikel wird das wiedergegeben, was vor Ort passiert ist. Dieser Artikel ist weder auf Vorgabe, noch auf Anfrage, noch in Absprache mit einem Dritten entstanden. Ungeachtet dessen fließt meine persönliche Meinung in diese Zusammenfassung natürlich ein. Diese Aufbereitung und meine Sichtweise müssen Sie nicht gut finden, aber ich freue mich, dass Sie den Artikel gelesen haben.

  2. Kritisieren würde ich den Artikel auch nicht. Er zeigt nur, dass diese Bürgerversammlungen in ihren Abläufen nahezu identisch sind. Der schon helfende, der sich als Unterstützer anbietende und und und. Prozentefeuerwerk und Statistikgeschwaffel. Ängste und Zweifel als Nazipropaganda entlarvt und niedergehalten. Und Vereine die nie eine EAE von innen erlebt haben.
    Ihr Bericht zeigt auf mit welchem Aufwand die Landesdirektion hier Bürger an der Nase rum führt.
    Fazit: Klasse Theatervorstellung und alle fallen drauf rein.

    1. Ich war noch nicht oft auf Infoabenden zu Gemeinschaftsunterkünften, kann mir aber auch vorstellen, dass die Abläufe sich ähneln. Als Theatervorstellung habe ich es nicht empfunden. Ich persönlich fand es gut, dass insgesmat 1 Stunde Zeit für Fragen & Antworten eingeräumt wurden und dabei eine gute Moderation stattfand. Niedergehalten wurde in meinen Augen nichts. Der Protest der anwesenden Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf einzelne Fragestellungen war für mich eine deutliche Position und dem Rahmen der Veranstaltung angemessen.

  3. Interessant wäre gewesen, wieso Einrichtungen bspw. Mockau dicht gemacht werden und gleichzeitig neue errichtet werden. Und noch viel interessanter wie das finanziell begründet wird.

  4. Besonders witzig hingegen ist die Aussage – zu früh oder zu spät informieren. Als würde dort die aller erste Notunterkunft in Sachsen entstehen. Der einzige Zweck der hier verfolgt wird ist, mögliche Auseinandersetzungen oder Protesten keine Möglichkeit zu geben. Und es funktioniert. Alle halten still. Und demokratische Möglichkeiten der Gegenwehr der Bürger sind ausgeschlossen.

  5. Hallo Augenzeuge, wenn ich Ihre Kommentare so lese, kommt es mir so vor, als ob Sie sich nicht vorstellen könnten, dass Menschen auch aus Eigenantrieb human handeln können. Ich sehe dies jedoch als ein Teil deutscher, christlicher Kultur und bin froh, dass diese so unaufgeregt in Gohlis gelebt wird, wie ich aus dem Artikel folgere. Ich möchte Ihrer These widersprechen, daß solches Handeln und Denken allein durch unehrlich, manipulative Politik zustande kommt. Es ist vielleicht eine diametral entgegengesetzte Haltung zu der Ihren, was aber keinesfalls heißen muß, daß sie unreflektiert ist. Würden Sie das behaupten, wäre das arogant und undemokratisch, da es letztendlich heißen würde, daß nur Ihre Haltung richtig und reflektiert ist und alle die nicht Ihrer Meinung sind einfach zu dumm sind die Wahrheit zu erkennen. Ich bin der Ansicht, daß es immer verschiedene Blickwinkel gibt, die in einer komplexen Welt Ihre Daseinsberechtigung haben, solang sie undogmatisch sind und die Menschenwürde respektieren.

  6. Vielen Dank für dieses Protokoll! Leider konnte ich an diesem Termin nicht teilnehmen. Als Arbeitgeber versuchen wir auch neue Mitbürger in Zusammenarbeit mit der BA und der Ausländerbehörde in passende Tätigkeiten zu bringen und engagieren uns dafür.

    Die angesprochenen Punkte und die beherzten Reaktionen hätten bei mir aber auch gemischte Gefühle hinterlassen. Denn ich finde, alle Einwände wurden genauso pauschal abgeschmettert, wie sie erhoben worden.

    ->“Ich meine, was machen die den ganzen Tag? Streunen rum, langweilen sich und gammeln rum. Ich finde es bedrohlich…“

    Das muss sicherlich nicht gleich bedrohlich wirken (was jedoch subjektiv ist und eben nicht pauschal von anderen abgetan werden kann/darf), aber nachdem eine Orientierung im Viertel und alle Behördengänge abgeschlossen sind sowie die Kinder endlich in Schule und Kindergarten, was machen denn viele der neuen Gäste?
    Nicht alle gehen deutsch lernen, zum Arzt etc. Auch bei anderen (auch älteren) Aufnahmeeinrichtungen ist das o.g. Verhalten zu beobachten. Es ist ja eben oft auch die Folge, weil Sie nicht gleich arbeiten dürfen, Bescheide abwarten müssen usw.
    Auch Deutsche (Jugendliche) hängen rum und wissen mit ihrer Zeit nichts anzufangen. Auch die kann man unnangenehm und bedrohlich finden (besonders die auf Spielplätzen z.B.). Es also pauschal als nicht existent zu verleugnen, dient der Diskussion nicht gerade. Interesannt fand ich den späteren Punkt mit der Außenanlage und wie sie vielleicht genutzt und gestaltet werden kann. Da lässt sich doch schon mal ansetzen.

    -> Gemurmel, entsetztes und ungläubiges Auflachen, erste Zwischenrufe. Die Moderatorin bittet um Ruhe und Respekt dafür, dass jeder seine Fragen stellen darf. Sie hat Recht.
    Ich finde auch er hat Recht. Bis hierhin hat er nichts anderes gemacht als alle anderen. Er hat seinen Gedanken und Emotionen Worte gegeben. Nicht unflätig oder radikal. Einfach was ihn umtreibt. Dafür wurde er (wenn Ihre Schilderungen zutreffen) respektlos ausgelacht und wohl unschön mit Worten bedacht. Wie soll ich von ihm also fordern, Fremden gegenüber mit Respekt aufzutreten? Die Anwesenden haben es schon nicht einmal bei ihm geschafft. Darf ich denn im Umkehrschluss jeden Heimbewohner auslachen, der eine andere, aus meiner Sicht nicht aktzeptable Meinung hat?

    -> Aber die pauschalen Unterstellungen des Bürgers entsprechen keiner reflektierten Denkweise und sind zum Fremdschämen.
    Hier kann ich nicht folgen. Wieso? Können Sie das weiter ausführen, damit es keine Missverständnisse gibt.

    Eine pauschale Unterstellung ist es doch schließlich auch zu behaupten, es würde nicht so kommen, oder? Gerade weil es an anderen Orten schon zu beaobachten ist, spricht dies doch eher etwas dafür. Ich schäme mich genauso, wenn jemand für eine einfache Meinungsäußerung von versammelter Meute niedergemacht wird. Egal ob das nun aus Sicht der Meute Blödsinn ist, was einer von sich gibt oder nicht. Die Tür schwingt in beide Richtungen.

    -> Wie kann man uns Sicherheit geben, dass die Leute hier keine Bomben bauen?

    Das ist natürlich völlig übertrieben oder überspitzt formuliert. Welcher Hintergrund zu der Frage aber schwer zu abstrahieren ist, verstehe ich nicht. Er sagt es ja auch: Sicherheit.
    Übertrieben mit der Bombe, aber eben abstrahiert genau das. Das sich die Sicherheitslage in Deutschland (wie in Europa) aber negativ verändert hat, ist zumindest von offizieller Seite nicht von der Hand zu weisen.
    Das er das mit dem neuen Heim in Verbindung bringt liegt z.T. wohl an den Medienberichten und Erfahrungen der letzten Monate, eben auch hier in Leipzig.

    Auch hier wieder: eigentlich ausschließen kann man es auch nicht. Abgesehen davon, das es keine 100% Sicherheit gibt und es technisch sicherlich schwierig ist, so ist es doch aber möglich (wenn auch unwahrscheinlich). Das unter den Flüchtlingen auch Terror-Schläfer sein können/ sind, wurde uns doch von höchster Stelle attestiert.
    Ja was denken Sie denn wo und wie die „schlafen“? Fairer Weise müsste man dem Mann sagen und wir uns auch selber: Ja das kann schon passieren, Garantien gibt es nunmal keine, aber es ist Unwwahrscheinlich. Quasi Lebensrisiko.

    Das kann man als sinnfrei abtun. Das konnte man bis neulich auch mit „da fährt einer gezielt mit dem LKW durch Menschen!“ aber auch. Bloss weil sich das die Versammelten nicht vorstellen können (weil es völlig gegen unsere Wertevorstellungen geht), heißt das doch nicht, das es nicht jemand macht. Können Sie es denn ausschließen?

    Aber bitte nicht:
    ->Wer in Deutschland lebt, unterwirft sich deutschen Gesetzen – geschriebenen und ungeschriebenen.

    Das ist den bösen Deutschen wie den bösen Nicht-Deutschen nämlich offensichtlich egal.

    Persönlich freue ich mich schon auf den Tag der offenen Tür und vielleicht ist ja auch der o.g. Bürger da und wird in seinen Befürchtungen widerlegt oder bestätigt.

  7. Als Ergänzung zu meinem Kommentar gestern fand ich zufällig folgenden Artikel in der Zeit, der auch das Innenleben eines Heims beleuchtet:

    http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-09/fluechtlinge-kinder-deutschland-schutz

    Er zeigt zum einen, warum wir uns um echte Flüchtlinge kümmern müssen. Zum anderen wer alles mit aufgenommen wird und welche Probleme sich daraus ergeben. Und warum manch einer nach der Sicherheit fragt und auch fragen darf. Denn die Menschen die kommen, sind nicht nur die Drangsalierten. Auch die Probleme selbst werden mitgebracht. Von den Traumata die viele haben ganz zu schweigen.

    So haben wir sie dann alle hier: die Traumatisierten und ihre Traumatisierer. Die Verfolgten und ihre Verfolger. Die Kindersoldaten und ihre Rekruteure. Die Vergewaltigten und ihre Vergewaltiger. Die Kriegsopfer und die Glücksritter.

    Deshalb sind auch Leute gekommen, die nicht mit unseren Regeln leben wollen. Woher sollen die auch wissen was unsere Regeln sind. Was auch dieser Bericht wieder einmal zeigt..

    Und wer ahnt schon in welcher Verteilung sie in diesem Heim sind? Sicherlich kann zu diesem Zeitpunkt noch keine Auskunft gegeben werden. Oder wurde es während der Infoveranstaltung gesagt, ob es lauter Familien, einzeln reisende Jugendliche etc. sind?

  8. Die Frage, wer tatsächlich kommen wird, wurde gestellt, aber die Stadt weiß es noch nicht. Es kann sein, dass es Leute sind, die in den letzten Monaten in einer Notunterkünfte waren und Leipzig schon etwas kennen (daher baut die Stadt ja auch noch neue Unterkünfte, weil Messehallen oder Baumärkte keine Dauerlösung sind), es können auch neue Flüchtlinge sein, die der Freistaat Sachsen zuweist. Bei der Veranstaltung wurde darauf hingewiesen, dass die Zimmer zwischen 2 und 5 Betten haben, wobei die 5-Bett-Zimmer dann eher für ganze Familien und die 2-Bett-Zimmer dann eher für alleingereiste Flüchtlinge vorgehalten werden. Sicherlich wird es beides geben, aber wer dann kommen wird, weiß aktuell noch niemand.
    Da ich auch bei der Veranstaltung war, kann ich nur bestätigen, dass die Hilfsbereitschaft im Stadtteil recht groß ist, und dazu tragen sicherlich die Kirchengemeinden bei als auch der Bürgerverein, der für den Zusammenhalt aller Einwohner arbeitet.
    Sehr erfreulich fand ich zum Beispiel die positive Grundhaltung von zwei Diskussionsteilnehmern, die von zu Hause aus unmittelbar auf das Bauprojekt sehen und den Umbau durchaus begrüßt haben.
    Es gibt eben hierzulande viele engagierte Personen, die sich keine Angst einjagen lassen. Und dann gibt es andere, die befürchten, es könnte in Deutschland zu einer moslemischen Mehrheit kommen – dagegen sprechen aber alle demographischen Zahlen, jedenfalls mit Blick auf die kommenden ca. 100 Jahre.
    Wenn wir uns nicht fürchten, ist das Zusammenleben viel besser als viele sagen – mit einem syrischen Untermieter in meiner Wohnung habe ich jedenfalls bisher nur gute Erfahrungen gemacht!

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