KIEZkopf #9 – Ricarda Berger // Herzenswärme für das Nordcafé

Es ist ein Dienstagnachmittag im Januar 2019 und ich bin auf dem Weg im Gohliser KIEZ zu Ricarda Berger. Von mehreren Seiten wurde mir die 56-jährige Wahlgohliserin für ein KIEZkopf-Interview ans Herz gelegt. Diesen Hinweisen zu folgen, war eine goldrichtige Entscheidung, denn ich treffe auf eine engagierte und Herzenswärme ausstrahlende Frau, für die immer dienstags im Nordcafé zwischen 16 und 18 Uhr Menschen aus ganz verschiedenen Kulturkreisen im Mittelpunkt stehen.

Ich mag die Menschen hier. Ich kann gar nicht anders.

Ich betrete gegen 17 Uhr einen Raum in der Bethesdakirche im Souterrain, alle Tische sind besetzt, es riecht nach Kaffee, es wird gekickert und in kleinen Gruppen sitzen Menschen zusammen, lachen und unterhalten sich. Inmitten des bunten Stimmenwirrwar von mehr als 30 Cafébesuchern sitzt Ricarda Berger und winkt mir fröhlich zu. Sie ist im Gespräch mit einem jungen Mann und ich werde herzlich dazu gebeten und sogleich eingebunden. Mittendrin statt nur dabei.

KIEZkopf #9 - Ricarda Berger @Gohliser KIEZgeflüster
KIEZkopf #9 – Ricarda Berger
©Gohliser KIEZgeflüster

In der folgenden Stunde werden wir beständig – aber stets äußerst höflich – von Besucher/innen des Nordcafés unterbrochen. Jede/r möchte mit der zierlichen Frau ein paar Worte wechseln. Ihr von Fortschritten berichten, ein Update zur Wohnungssuche geben, sich für den schönen Nachmittag bedanken oder einfach nur kurz „Hallo“ sagen. Für jede/n hat Ricarda Berger ein herzliches Lächeln, ein Lob für die gute Aussprache, eine Nachfrage oder einen kurzen Hinweis für den Weg. Es wird offensichtlich: Sie ist mehr als nur die Projektansprechpartnerin für das Nordcafés. „Ich mag die Menschen hier einfach. Ich kann gar nicht anders.“ lacht sie entschuldigend und nimmt den Gesprächsfaden mit mir wieder auf.

Gesellschaft kann man nicht vom Sessel aus gestalten.

In das Nordcafé kommen regelmäßig Menschen mit ganz unterschiedlichen Nationalitäten und Hintergründen, Familien mit Kindern genauso wie alleinstehende junge Männer. Sie sitzen gemeinsam mit Engagierten aus Gohlis an den Tischen und lernen sich kennen, tauschen sich zu Alltagsschwierigkeiten aus und stellen sich gegenseitig Fragen. Das miteinander Sprechen (lernen) ist wichtig, so die gebürtige Regensburgerin, denn

die Sprache ist die größte Herausforderung für eine erfolgreiche Integration.

Sie weiß wovon sie spricht, sie selbst hat bereits 2015 bei ihrem ersten Einsatz als Sprachvermittlerin in der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) am Messegelände erleben dürfen, wie vor allem die jungen Frauen wissbegierig waren und schnell gelernt haben.

Da habe ich gemerkt, was für eine Chance es für sie ist, die Sprache zu lernen.

Sie engagiert sich später in der Olbricht Initiative für den Gohliser Norden und vermittelt einmal pro Woche in der EAE Olbricht Kaserne die Grundlagen der deutschen Sprache. Als aus dem Kreis der dort Aktiven und Mitgliedern der Initiative Weltoffenes Gohlis, sowie mit Unterstützung verschiedener Kirchgemeinden im Norden, die Idee des Nordcafés geboren wurde, da war sie von Anfang an dabei. 1,5 Jahre unterstützte sie dieses Gemeinschaftsprojekt unter dem Dach vom Evangelisch-Methodistischen Diakoniewerk Bethanien e.V.  ehrenamtlich, seit Oktober 2018 ist sie nun beim Diakonischen Werk für das Projekt angestellt und koordiniert rund ein Dutzend ehrenamtlich Engagierte, ohne die diese Treffen nicht realisiert werden könnten.

Demokratie lebt vom Mitmachen!

Ich fühle mich wohl hier an diesem kalten Wintertag, das herzliche Miteinander strahlt menschliche Wärme aus, ich fühle mich willkommen und wenn ich mich umschaue, dann ist es dieses Gefühl, was alle eint.

Auch wenn seit Mai 2017 vieles möglich gemacht und zahlreiche Brücken gebaut wurden, Ricarda Berger und ihre Mitstreiter sind immer auch auf der Suche nach Unterstützung für die regelmäßigen Begegnungen zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen bei uns im Gohliser KIEZ: In Form von z.B. Kuchenspenden, oder in Form von Mitwirkung von Mitmenschen, die sich z.B. mit Angeboten für die Kinder engagieren oder einfach nur die interkulturelle Runde dienstags bereichern möchten.

Manchmal bin auch ich an dem Punkt, wo ich selbst nicht mehr weiter weiß

berichtet die gelernte Fremdsprachenkorrespondentin. Das Thema Wohnung ist zum Beispiel oft präsent, denn es mangelt an kleinen Wohnungen. Aber durch solche Herausforderungen lässt sich die zweifache Mutter, die 1993 der Liebe wegen von Nürnberg nach Leipzig zog, nicht entmutigen. Sie blickt mich optimistisch und entschlossen an:

Ich weiß, wohin ich vermitteln kann, das Netzwerk ist groß!

Weiterführende Informationen zum Nordcafé

Seit Mai 2017 realisiert die Initiative Weltoffenes Gohlis in Kooperation mit der Ev.-Methodistischen Bethesdakirchgemeinde, dem Bürgerverein Gohlis e.V. und weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren im Leipziger Norden ein regelmäßiges, ebenso offenes wie niederschwelliges Begegnungsangebot – das Nordcafé – für Geflüchtete, ebenso für Bürgerinnen und Bürger im Leipziger Norden. Mit dem Begegnungscafé wird einmal wöchentlich die Gelegenheit geboten, dass Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen und Nationalitäten zusammenfinden, sich näher kommen und austauschen sowie einander Kennenlernen und Verunsicherungen und Ängste abbauen.

Nordcafé
Blumenstraße 74, 04155 Leipzig
(Gemeindehaus d. Ev.-Methodistischen Bethesdakirchgemeinde)

Öffnungszeiten
Dienstag, 16 – 18 Uhr

2 Jahre Nordcafé
Am 30. April 2019 feiert das Nordcafé seinen 2. Geburtstag! Aktuelle Infos gibt es unter www.facebook.com/nordcafegohlis

Kontakt
nordcafe@weltoffenesgohlis.de
www.weltoffenesgohlis.de

So kann ich ehrenamtlich unterstützen:

  • Gesprächsangebot zur aktuellen Lebenssituation d. Besucher/innen
  • Unterstützung bei Kinderbetreuung
  • Bereitstellung von Spielzeug
  • Sponsoren für Kuchen & Gebäck
  • Zubereitung von Kaffee & Tee
  • Vorbereitung (dienstags ab 14:00 Uhr)
  • Nachbereitung (dienstags ab 19:00 Uhr)

Weiterlesen
Weitere Gedanken von Ricarda Berger zum Nordcafe gibt es auf der Seite der Bethesdakirche Leipzig.




Beitrag veröffentlicht

in

,

von

Schlagwörter: